Was tun wenn

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
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friloo
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Was tun wenn

Beitrag von friloo »

Hi,

Bin neu hier, ich habe die Einwanderung der Wölfe nach D von Anfang an verfolgt und eigentlich begrüße ich den Wolf. Leider habe ich nun eine Doku aus den USA gesehen, wo die Wölfe seit 50 Jahren nicht mehr bejagt werden und sie werden immer "frecher". Kommen nachts bis an die Häuser, erbeuten Haustiere (das ist leicht) und sind auch eine Gefahr für die Menschen, weil sie sie einfach den Respekt verloren haben (wurden seit 50 Jahren nicht gejagt). Könnte uns das hier in D nicht auch passieren? Man sollte imho die Wölfe dulden und dezent bejagen. Dann bleiben sie (weil sie so intelligent sind) von menschlichen Behausungen und von Menschen weg und finden trotzdem einen Platz zum Leben.
Je älter ich werde, um so mehr nervt mich Dummheit.

mfg Hans
Grauer Wolf

Re: Was tun wenn

Beitrag von Grauer Wolf »

friloo hat geschrieben:Leider habe ich nun eine Doku aus den USA gesehen, wo die Wölfe seit 50 Jahren nicht mehr bejagt werden und sie werden immer "frecher". Kommen nachts bis an die Häuser, erbeuten Haustiere (das ist leicht) und sind auch eine Gefahr für die Menschen, weil sie sie einfach den Respekt verloren haben (wurden seit 50 Jahren nicht gejagt). Könnte uns das hier in D nicht auch passieren? Man sollte imho die Wölfe dulden und dezent bejagen. Dann bleiben sie (weil sie so intelligent sind) von menschlichen Behausungen und von Menschen weg und finden trotzdem einen Platz zum Leben.
Hmmm, und wo sollen die in den USA seit 50 Jahren nicht mehr bejagt worden sein? Das können nur Schutzbereiche einiger Nationalparks sein. Bei "Dokus" aus den USA bin ich grundsätzlich äußerst mißtrauisch. Gerade die Amis schießen auf alles, was einen Wolfsschwanz trägt und sei's nur aus Spaß am Foltern und Töten der Grauen.

Bejagung bringt keinen Lerneffekt, denn wie soll ein Wolf, der getötet wurde, seine Nachkommen lehren, daß Menschen gefährlich sind? Wölfe geben Wissen und Traditionen aktiv an ihre Jungen weiter und mit dem Abschuß erfahrener Tiere wird dieses Wissen ausgelöscht. Das Ergebnis sind unerfahrene, desorientierte Jungtiere, die erst recht Schaden anrichten, da ihnen die Anleitung der erfahrenen Alttiere fehlt. Die Ermordung eines der Elterntiere ist in dieser Hinsicht nicht nur ein Verbrechen, weil es ggf. den Tod der Jungtiere billigend inkauf nimmt, sondern zudem ausgesprochen kurzsichtig und dumm.

Daß in Gebieten, wo Wölfe vorkommen, diese in ländlichen Bereichen bis an die Häuser kommen, ist normal und nicht "frech". Die wissen genau, wann was los ist und wann alle schlafen. Wenn dann Haustiere erbeutet werden (ich gehe mal davon aus, Du meinst Schafe, Ziegen, Hühner etc., denn Hunde gehören nachts zu ihren Menschen ins Haus und nicht etwa an die Kette (was ich als Verbrechen betrachte), liegt das in der Verantwortung des Besitzers, der seine Tiere nicht richtig schützt. Die Tiere gehören in Wolfsland nachts eingestallt oder hinter wolfssichere Zäune und gut ist. Dort, wo sich die Bewohner auf die Wölfe eingestellt haben und entsprechend sachgerecht handeln, gehen Verluste an Haustieren resp. Nutzvieh und somit Konfliktsituationen erfahrungsgemäß deutlich zurück.
Im übrigen wird hier sehr viel schamlos übertrieben, denn jedes hinter'm Haus angepflockte Schaf, das wie auf dem Präsentierteller dem Wolf überreicht wird, verursachte einen Riesenpresserummel in den lokalen Käseblättern. Solche Leute erhalten auch völlig zu Recht keinen Cent Schadenersatz, weil sie ihren Schaden schlicht und ergreifend selbst verursacht haben. Der Wolf ist daran unschuldig, der hat nur als Opportunist eine günstige Gelegenheit wahrgenommen.

Grundsätzlich ist der Wolf hierzulande sehr streng geschützt und das ist gut so. Denn die Grünröcke warten nur darauf, endlich legal Wölfe abschlachten zu dürfen, die ihnen angeblich "ihre" Rehe wegfressen. Zum Glück können sie bei der Gesetzeslage (Land, Bund und EU) lange darauf warten und ich hoffe sehr, daß das so bleibt.

Just my 2 Cents...

Gruß
Wolf
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friloo
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Re: Was tun wenn

Beitrag von friloo »

Hi,

Das Jagdrecht der USA liegt bei den Bundesstaaten, und in den meisten (wenn nicht allen) ist der Wolf geschützt. Das ist Fakt. Ein Jäger der in den USA einen Wolf schiesst, ist arm dran wenn er erwischt wird.

Nun ja, ich meinte den Effekt der Nichtbejagung, klar kann ein toter Wolf nichts mehr mitteilen. Aber wenn die Wölfe wissen das von Menschen eine Gefahr ausgehen kann sind sie vorsichtiger, wen wir ihnen aber alles erlauben werden sie frecher. Es ging um einen Staat im Nordosten der USA den genauen Namen weiß ich leider nicht mehr.

Nimm 2 Schafherden, eine wird nicht bewacht und die andere wird von zuverlässigen Herdenschutzhunden (zB Kangal) bewacht. Wo werden sich die Wölfe bedienen? Natürlich dort wo keine Gefahr droht, bei der unbewachten.
Je älter ich werde, um so mehr nervt mich Dummheit.

mfg Hans
Grauer Wolf

Re: Was tun wenn

Beitrag von Grauer Wolf »

friloo hat geschrieben:Das Jagdrecht der USA liegt bei den Bundesstaaten, und in den meisten (wenn nicht allen) ist der Wolf geschützt. Das ist Fakt. Ein Jäger der in den USA einen Wolf schiesst, ist arm dran wenn er erwischt wird.
Ja, ja, das sehen wir gerade in den Staaten rund um den Yellowstone, besonders in Idaho... :x
Wie das im Nordosten der USA aussieht (Neuenglandstaaten?), ist mir nicht bekannt, da ich mich in erster Linie über die Brennpunkte informiere, die eher im Westen und Südwesten liegen.
friloo hat geschrieben:Nimm 2 Schafherden, eine wird nicht bewacht und die andere wird von zuverlässigen Herdenschutzhunden (zB Kangal) bewacht. Wo werden sich die Wölfe bedienen? Natürlich dort wo keine Gefahr droht, bei der unbewachten.
Der Vergleich hinkt. Herdeschutzhunde sind eine be-greifbare Gefahr, die in's Weltbild der Wölfe paßt. Ein heimtückischer Schuß aus 150 m Entfernung oder gar aus dem Heli bewirkt gar nichts, denn er wird ja nicht mal mit Menschen in Verbindung gebracht. Erst ein sinnloser Massenmord würde selektiv wirken, weil die scheusten Wölfe sowieso grundsätzlich in Deckung bleiben und so einen Selektionsvorteil haben, weil sie dieses ohnehin vorhandene Verhalten an die Welpen weitergeben. Niemand, der auch nur etwas zivilisiert ist, kann so eine Methode befürworten.

Übrigens, was das Verhalten der Wölfe in Zivilisationsnähe betrifft (also durch Dörfer laufen etc.), so unterscheidet sich meine Meinung höchstens in kleinen Details von der "offiziellen":

http://www.wolfsregion-lausitz.de/index ... it-woelfen

Einfach mal schmökern, es steht eine Menge Wissenswertes drin und lohnt sich. ;)

Gruß
Wolf
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Lone Wolf
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Re: Was tun wenn

Beitrag von Lone Wolf »

friloo hat geschrieben:Hi,

Das Jagdrecht der USA liegt bei den Bundesstaaten, und in den meisten (wenn nicht allen) ist der Wolf geschützt. Das ist Fakt. Ein Jäger der in den USA einen Wolf schiesst, ist arm dran wenn er erwischt wird.

Nun ja, ich meinte den Effekt der Nichtbejagung, klar kann ein toter Wolf nichts mehr mitteilen. Aber wenn die Wölfe wissen das von Menschen eine Gefahr ausgehen kann sind sie vorsichtiger, wen wir ihnen aber alles erlauben werden sie frecher.
Hallo friloo,
erst einmal herzlich willkomen im Forum...

Zu deinen " Fakten" gibt es aber leider einiges klar zu stellen.
Ich hatte erst letztes Jahr das, für Naturfreunde, wirkliche Vergnügen, die Vereinigten Staaten zu besuchen, Schwerpunkt Tierbeobachtung, auch von Wölfen :)
Der mir bekannte Stand nach sich ergebenden Gesprächen mit Mitarbeitern der Nationalparkverwaltungen und des USFWS (in Wyoming) sowie verfügbaren Publikationen (andere u.g.Staaten) ist folgender (ich rede hier mal nicht von solch zum Teil extrem seltenen Unterarten wie Mexikanischer Wolf Canis lupus baileyi oder Eastern Timber Wolf (Canis lupus lycaon))
Richtig ist: Der Wolf ist in vielen Staaten der USA geschützt, aber nur, weil es ihn eben in den meisten Staaten nach wie vor nicht gibt und so schnell aus verschiedensten Gründen (ähnelt oft den hiesigen Vorbehalten von Viehhaltern, Jägern, Tourismusbehörden) auch nicht geben wird. Ansässig sind Wölfe in Alaska, Washington, Idaho, Montana und Wyoming, seit kurzem gibt es mind. ein Wolfspaar mit Nachwuchs in Oregon . Außerdem westlich der großen Seen in Minnesota, Michigan und Wisconsin.
Noch nie geschützt war der Graue in Alaska. Nicht mehr streng geschützt und zwar seit 2012 ist er in Minnesota, Michigan, Wisconsin (zusammen ca. 3000 Graue) sowie seit 2011 in Idaho und Montana ( 600 Wölfe). Gerade in Idaho wird er seitdem wieder gnadenlos verfolgt, vom Gouverneur gefördert und belobigt. Du findest nähere Infos hier im Forum v.a. im Thema Blutrausch in Idaho. In Wyoming, dem Heimstaat der Yellowstone Wölfe, wird er abseits des NP ebenfalls fröhlich bejagt. 2012, dem Jahr vor meinem Besuch, wurden zu meinem Entsetzen 1/3 des Gesamtbestandes von rund 400 Wölfen, davon nur noch etwa 80 (!) im YNP, getötet. Um eine Zahl zu nennen 136... Davon 120 Graue durch Menschen... Nur 4 davon illegal, 5 durch Verkehr. Im Bundesstaat Washington ( gerade mal ca. 50 Wölfe) ist er nur regional geschützt.


Es gab weiterhin Ansiedlungspläne für den Nordosten der USA.
Hab mal einen älteren Link ausgegraben, der viel über die Wolfsfreundlichkeit nicht nur in der USA aussagt, denn vieles erinnert frappierend an bekannte Diskussionen in Deutschland bis hin zum Thema, ob es überhaupt echte Wölfe gibt, oder doch nur Hybriden ;-)

http://home.arcor.de/marri/usawolf.htm
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Johann Peter Hebel
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Lone Wolf
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Re: Was tun wenn

Beitrag von Lone Wolf »

viewtopic.php?f=23&t=1254

Ich noch mal Friloo...
zu deiner anderen Sorge einer zunehmenden Frechheit von Wölfen, wenn sie de facto nicht regelmässig getötet werden, findest du zusätzlich zur Antwort von Grauer Wolf im obigen Link eine Gesprächskette.

Ich frage mich sowieso, warum uns, sonst so kreativen Menschen, bei Problemlösungen (nicht nur bei el Lobo) immer nur Gewalt und Töten einfällt :roll:
Warum nicht beispielsweise Hartgummigeschosse oder Feuerwerkskörper, sollte wirklich mal ein "frecher Wolf" auftauchen... Was ist denn überhaupt frech und was ist normales Verhalten Frillo?
Um das zu beurteilen muss man schon viel Fachliteratur lesen und auch ein bisschen Gefühl entwickeln für die Tiere und für Situationen. Ich zum Beispiel konnte bei Bär Bruno keine aggressiven, abartigen Verhaltensweisen erkennen, die den Abschuss gerechtfertigt hätten.

Viele Grüsse
LW
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Johann Peter Hebel
Grauer Wolf

Re: Was tun wenn

Beitrag von Grauer Wolf »

Lone Wolf hat geschrieben:Ich zum Beispiel konnte bei Bär Bruno keine aggressiven, abartigen Verhaltensweisen erkennen, die den Abschuss gerechtfertigt hätten.
Na, der hat aber doch ein paar angekettete Schäfchen gefressen, Honig gemopst und ein paar unbedarfte Leute erschreckt. Dafür "mußte" er doch die Todesstrafe kriegen. :x

Galgenhumor beiseite! Ich sehe das genauso und war damals regelrecht entsetzt über die Hysterie... :( Das passiert, wenn man "Experten" auf die Natur losläßt. Ein paar Gummigeschosse oder Knallkörper zur rechten Zeit am rechten Ort und Bruno könnte noch leben. Aber dazu hätte es Geduld gebraucht...

Gruß
Wolf
kangal2
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Re: Was tun wenn

Beitrag von kangal2 »

Ein Bär, der lernte, seine Nahrung in der Nähe des Menschen zu suchen, ist alles andere als ein ungefährlicher Teddy.
Das "Fehlverhalten" wurde beiden Bären (seinem Bruder auch) durch seine Mutter Jurka vermittelt.
Also einfach mal etwas besser informieren und mit Leuten reden, die in Bärengebieten leben, statt romantisierendes mainstream - Bruno - Gesäusel.
Die Geschichte zeigt, was passiert, wenn naturentfremdete Menschen einen "Bruno - Tourismus" lostreten.
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Lone Wolf
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Re: Was tun wenn

Beitrag von Lone Wolf »

@Kangal
in Mitteleuropa muss ein Tier zwangsläufig seine Nahrung in der Nähe der Menschen suchen und er wird auf seinen Streifzügen ebenso früher oder später zwangsläufig mit Menschen in Kontakt kommen... Aus meiner Sicht gibt es einen Unterschied zwischen tatsächlicher aggressiver Habituation und situationsbedingtem, von Menschen vielleicht nicht erwünschtem, allerdings durchaus zu erwartendem Verhalten, wenn man Bärenökologie berücksichtigt. In letzterem Falle kann man durchaus Maßnahmen treffen, die nicht zum Tode des Tieres führen müssen. Eine wäre beispielsweise, Schafe nicht angekettet und ungeschützt in Menschennähe auf dem Silbertablett zu präsentieren, wenn man weiß, dass man in Carnivorengebiet lebt (durchaus aktuell). Aber egal, du hast eine vorgefasste Meinung, wir sind Teddyromantisiert und der Bär ist schon lange tot ;-)

Grüße
LW
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Johann Peter Hebel
Grauer Wolf

Re: Was tun wenn

Beitrag von Grauer Wolf »

Lone Wolf hat geschrieben:Eine wäre beispielsweise, Schafe nicht angekettet und ungeschützt in Menschennähe auf dem Silbertablett zu präsentieren, wenn man weiß, dass man in Carnivorengebiet lebt (durchaus aktuell).
Mein Reden, und nicht nur wegen der Bären. Die Meldungen, wenn Schafe gerissen wurden, erwähnen auch nach knapp 18 Jahren Wolf in der Region immer und immer wieder angepflockte Schafe durch Hobbyschafhalter, derzeit gerade wieder gehäuft. Das faßt man sich echt an den Kopf. Die Schöpsen gehören nachts gesichert oder eingestallt, genauso wie man in unserer Gegend abends die Hühner und Gänse reinholt (hier sind ein paar Biohöfe), weil's hier Füchse gibt.

Bei Bären kommt noch was dazu. Jeder, der in Bärenland lebt, weiß, daß alles Freßbare gesichert werden muß, also müssen Bienenstöcke hinter ein kräftiges Gitter oder einen E-Zaun und Mülltonen bärenfest sein. Auch wenn Jurka ihre Jungen gelehrt hat, daß in der Nähe von Menschen freßbares zu holen ist, woher hat sie denn bitteschön selber diese Erfahrungen? Probleme mit habituierten Bären sind immer hausgemacht.

Wie gesagt, entsprechende Maßnahmen zur richtigen Zeit, und Bruno würde noch leben. Das hat nichts mit Naturromantik zu tun (mit der auch ich nichts zu tun habe!), sondern damit, daß der Mensch nicht Alleininhaber dieses Planeten und das Maß aller Dinge ist, sondern noch eine Unmenge anderer Lebewesen auf ihm leben. Das ist letztlich eine Frage der Ethik!
Zu diesem ständigen Anspruch "Dem Menschen gehört alles und weg mit allem, das seine Kreise stört" fällt mir nur was drastisches Nonverbales ein: Bild

Gruß
Wolf
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