Zu Tode erschreckt?

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Lutra
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Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Lutra »

Am 10.12. ereignete sich in Diera-Zehren, einen Ort an der Elbe unweit von Meißen, ein Unfall. Neun Pferde wurden auf der B6 getötet, zwei PKW-Fahrer schwer verletzt. So weit, so schlimm.
Am Ende der Meldung der Verdacht, Wölfe könnten die Pferde aufgescheucht haben.
"Der Kreisjägermeister Karsten Schlüter zieht diese
Möglichkeit ebenfalls in Betracht. „In letzter Zeit sind häufiger Pferde durch herumstreifende Wölfe in Panik geraten“, sagt er."
Heute nun im Zeitungskopf:

Bild

Im dazugehörigen Artikel steht nun, Gutachter hätten Wolfsspuren auf der Koppel gefunden.
"Die Spurenlage auf dem Gelände zeigt demnach, dass
zwei bis drei Wölfe die Pferde aus der Koppel herausgetrieben
haben."
Das Kontaktbüro weiß noch nichts von dem Gutachten, auch der Wolfsbeauftragte des Landkreises Meißen hat davon noch nichts gemeldet. Die Gutachter wollen ihre Namen nicht nennen.
Grauer Wolf

Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Grauer Wolf »

Lutra hat geschrieben:Das Kontaktbüro weiß noch nichts von dem Gutachten, auch der Wolfsbeauftragte des Landkreises Meißen hat davon noch nichts gemeldet. Die Gutachter wollen ihre Namen nicht nennen.
Seltsame Gutachter, die ihre Namen nicht mal dem offiziellen Wolfsbeauftragten nennen wollen...
Btw., Pferde sind panikträchtige Zicken, weil Fluchttiere. Ich hab schon welche erlebt, die spielten verrückt, wenn nur weil ein Fuchs sein Warnkläffen ertönen ließ... Die Spur kann Zufall sein oder auch die von großen Hunden (der Eigner würde sich wohl kaum melden). Nicht immer überall gleich Wölfe sehen, sonst läuft's irgendwann wie bei dem Hütejungen, der immer schrie "Der Wolf kommt, der Wolf kommt!", um die Erwachsenen zu foppen. Als der Wolf wirklich kam, hat keiner mehr drauf gehört!
Im übrigen gibt's kaum Belege für Angriffe auf Pferde (war da nicht einmal was in Polen? In Deutschland m.W. jedenfalls nicht). Die Jagd darauf ist kontraproduktiv, wenn Unmassen ungefährlicher Rehe zur Verfügung stehen.

Gruß
Wolf
LarsD

Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von LarsD »

Grauer Wolf hat geschrieben:Im übrigen gibt's kaum Belege für Angriffe auf Pferde (war da nicht einmal was in Polen? In Deutschland m.W. jedenfalls nicht). Die Jagd darauf ist kontraproduktiv, wenn Unmassen ungefährlicher Rehe zur Verfügung stehen.
Bist Du auf dem gleichen Tripp wie Britta Habbe? Pferde sind viel zu groß und viel zu gefährlich ... http://www.nicematin.com/vallees/un-tro ... 88261.html
Grauer Wolf

Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Grauer Wolf »

LarsD hat geschrieben:Bist Du auf dem gleichen Tripp wie Britta Habbe? Pferde sind viel zu groß und viel zu gefährlich ... http://www.nicematin.com/vallees/un-tro ... 88261.html
Was da abgebildet ist, hat m.W. Ponygröße (Mérens). Aber egal, das ist dann der zweite Fall in Europa und meine Bemerkung "kaum Belege" stimmt also durchaus.
Es geht um was anderes. Wölfe könnten die Worte "Effektivität" und "Kosten/Nutzen-Abwägung" geradezu erfunden haben. Unsere Wälder sind voll mit ungefährlichen Rehen, bei denen sich der Wolf nur bedienen muß. Kein Beutegreifer geht ein unnötiges Risiko ein, wenn es sich vermeiden läßt, und speziell Wölfe sind dazu viel zu intelligent.
Auf irgendeinem Trip bin ich übrigens nicht und Glühwein gibt's auch erst gleich als "Betthupferl". :p Ich denke also stocknüchtern! ;)
Es sieht im Augenblick so aus, als wenn bei allen Zwischenfällen mit Nutzvieh gleich "Wolf!" geschrien wird, wie von dem Hirtenjungen, den ich zitierte. Ich erinnere nur an die 2 "Wölfe", die armen Kindern an der Schulbushalte "auflauerten" und sich als Schäferhunde auf Freiersfüßen entpuppten, die mit sich selber beschäftigt waren, nachdem einige dieser "Experten" inkl. Bürgermeister alles rebellisch gemacht hatten. Heiße Luft war's...
Und wie gesagt, die Reaktion der Gutachter ist mehr als merkwürdig (wenn ich offizieller Gutachter bin, brauche ich kein Versteckspiel abzuziehen) und es ist auch nur von einem "Verdacht" die Rede. Ein Verdacht ist aber kein Beleg, schon gar kein forensischer. Auch impliziert "zu Tode erschreckt" keinen Angriff. Pferde neigen nun mal zur Hysterie, da reicht ein hochschnellendes Karnickel oder besagter Fuchskläffer und die Viecher drehen durch. Himmel, da reicht ja schon ein scharfer, fixierender Blick...
Vielleicht waren auch nur ein paar Graue zur falschen Zeit am falschen Ort, ganz ohne kulinarische Absichten. Hieraus dann eine "Schuld" der Wölfe abzuleiten wäre mal wieder typisch menschlich: Schuld sind immer die anderen.
Warten wir also mal ab, ob da wirklich was Greifbares bei rauskommt oder ob das ganze im Sande verläuft.

Gruß
Wolf
balin
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Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von balin »

Bei der ganzen Sache stört mich, daß die so idiotisch waren und mit ihren wieder eingefangenen Pferden über die Bundesstraße wieder nach hause wollten.
Auf die Idee würde ich nicht kommen. Ich habe meine Herde im Laufe der Zeit schon einige Male einfangen müssen. Rein reflexartig habe ich dann aber immer den Weg genommen, wo mir mit einiger Sicherheit niemand begegnet. Die Straße würde ich weder meinen Tieren noch den Autofahrern zumuten wollen. Über sowas kann man selber entscheidenm das hat nun mit Wölfen wirklich nichts zu tun.
jurawolf
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Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von jurawolf »

Naja, man muss schon ehrlich bleiben und anerkennen, dass Pferdeartige häufiger gerissen werden, als es manchen Wolfsfreunden lieb ist. Hier mal die Bilanz aus Frankreich der letzten Jahre:

2011: 11
2010: 2
2009: 6
2008: 3

Wobei hierbei die Alterklassen und die genaue Artzugehörigkeit (équins=Pferdeartige) nicht angegeben werden. Die Bilanz von 2012 habe ich leider noch nicht, aber auch damals wurden Pferartige gerissen, ebenso wie dieses Jahr (siehe Link von Lars). Quelle ist jeweils die offizielle Schadensstatistik, welche das ONCFS publiziert. Diese lassen sich mit google finden.

Es steht natürlich ausser Frage, dass sich die Schäden an Pferden insgesamt nur im Promillebereich der Gesamtschäden bewegen, sprich weit über 90% der gerissenen Nutztiere sind Schafe und Ziegen, dazu noch ein paar Rinder und Hunde. Allerdings sind die Zahlen in Spanien ganz ähnlich, auch dort werden zwar sehr selten, aber doch mit einer gewissen Regelmässigkeit Pferdeartige gerissen. Das selbe gilt für Italien, wo ja schon der gute Zimen entsprechende Abbildungen (gerissenes Fohlen) in seinem Buch hatte, zumindest in der neueren Auflage.

Persönlich muss ich sagen, dass ich dei Schäden an Pferdeartigen für absolut vernachlässigbar halte. Erstens sind zumindest bei uns Pferde in 99% reine Hobbytiere ohne weitere Funktion in der Land- oder Forstwirtschaft. Das mag andernorts anders sein, bei uns ist dies aber die Realität. Zweitens sind Pferde, auch wenn sie nicht geschützt wurden, immer nur in ausnahmsweise Wolfsangriffen ausgesetzt, so dass sich Herdenschutzmassnahmen bei ihnen wohl in einem äusserst ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis befinden würden. Deshalb halte ich wenig davon, wenn Herdenschutz für Pferde gefördert oder Risse abgegolten würden.
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Lone Wolf
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Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Lone Wolf »

Jetzt wächst sich dieser, z.T. aus wirtschaftlichen, zum Teil aus uns altbekannten, eher egoistischen Gründen, von Eigentümer und Jagdpächtern geschürte Fall, langsam aber sicher in erste Hysterie aus... Die Berichterstattung der Sächsischen Zeitung ist hier obendrein höchst fragwürdig. Genau wissend, dass der gemeine Leser Fragezeichen hinter Balkenüberschriften schlicht ignoriert, feiert nun die Philisterei fröhlich Urständ, deren Wortmeldungen auch noch unkommentiert veröffentlicht werden, kleine Auszüge: Bei solchen Nachrichten kann man doch nicht mehr spazieren gehen oder, auch beliebt: Unsere Vorfahren haben so viel Mühe aufgewendet, um Wölfe auszurotten. Die werden schon gewusst haben warum...

Ja die lieben Vorfahren, die haben auch Hexen verbrannt, die Pest war Gottes Strafgericht und über Werwölfe haben Professoren und Doktoren gestritten...

Gute Nacht
LW
In der ganzen Natur ist kein Lehrplatz, lauter Meisterstücke
Johann Peter Hebel
Grauer Wolf

Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Grauer Wolf »

Lone Wolf hat geschrieben:...kleine Auszüge: Bei solchen Nachrichten kann man doch nicht mehr spazieren gehen oder, auch beliebt: Unsere Vorfahren haben so viel Mühe aufgewendet, um Wölfe auszurotten. Die werden schon gewusst haben warum...

Ja die lieben Vorfahren, die haben auch Hexen verbrannt, die Pest war Gottes Strafgericht und über Werwölfe haben Professoren und Doktoren gestritten...
Dummes, populistisches Geschwurbel von Möchtegernjournalisten (wie wär's mit korrekter Hintergrundrecherche, wie es sich für Journalisten gehört!?), die irgend einen Müll in die Tastatur hauen. Hauptsache, man bedient die Vorurteile des Lesers und die Verkaufszahlen stimmen.
Wenn ich den Artikel samt Leserbriefen
http://www.sz-online.de/sachsen/zuechte ... e#Comments
richtig verstanden habe, haben 2 Personen, nachdem die Pferde von der Polizei aufgegriffen wurden, versucht, 9 Pferde zurückzuführen, auf einer Bundesstraße. 2 Personen, 9 Pferde, nach einem Ausbruch, das muß man sich mal auf der Zuge zergehen lassen. Imho ist das grob fahrlässig, die Aufsicht war in der Situation völlig unzureichend. Es kam, wie es kommen mußte, einer der Gäule hat gezickt (Karnickel, Fuchs, vielleicht sogar eine Wolfsspur), die anderen mitgerissen, die Viecher rannten in den Verkehr und es gab zwei Schwerverletzte, wobei es bezeichnend ist, daß die gar nicht zur Sprache kommen.
Sorry, aber hier versucht m.M.n. :!: einer, 70.000 Euro Schadenersatz aus öffentlichen Kassen zu bekommen (mag menschlich sein) und dafür muß natürlich der Wolf herhalten (die Pfotentapfen kamen gerade recht, wobei das genausogut ein großer Hund sein könnte; Um eine Wolfsspur sicher zu diagnostizieren, braucht man wenigstens einen längeren Abschnitt der Spur! Ich würde mir nicht zutrauen, auf der Basis einiger, weniger Abdrücke ein Urteil "Wolf oder Hund" zu fällen. Denn nur der Puschengröße nach könnte es auch bei uns Wölfe geben [ist aber nur ein übergewichtiger Molosser... :mrgreen: ]), denn bei Rehen, Wildschweinen, Karnickeln oder Füchsen gäbe es keinen Cent. Es ist ohnehin zweifelhaft, ob das bloße Aufscheuchen durch was auch immer, zu Schadensersatzansprüchen führt, denn Wildtiere aller Art sind Bestandteil unserer Umwelt. Es war ja wohl offensichtlich kein Angriff, geschweige denn ein Riß!
Ich kann rein menschlich den Pferdehalter verstehen, aber rein sachlich betrachtet lag der Fehler nicht bei den Wölfen (es ist ja nicht mal sicher, ob's welche waren!), denn (nicht nur) in Wolfsland sichert man Pferde à 8000 Euro das Stück besser oder stallt sie nachts ein.

Und natürlich fehlt im Bericht auch der Rotkäppchenkomplex bezüglich Spaziergängern nicht plus der Hinweis auf unsere Vorfahren, die sich soooo viel Mühe machten, die Wölfe auszurotten (die viele "Mühe" macht's nicht besser!). Nur die Pilzsucher wurden diesmal ausgelassen. Falsche Jahreszeit, keine Schwammerl im Busch...? :p Traurig, daß sich erwachsene Menschen von Kindermärchen für Abergläubige (die Kids von heute "können Internet" und tierinteressierte finden garantiert auch objektive, kindgerecht aufgearbeitete Infos über den Wolf, z.B. hier:
http://www.wolfsregion-lausitz.de/image ... ei_neu.swf )
beeinflussen lassen, anstatt sich mal in Sach- und/oder Fachbüchern zu informieren.

Gruß
Wolf
Lutra
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Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Lutra »

Ich denk mal, es ist sinnvoll, erst mal auf das geheimnisvolle Gutachten zu warten, so es denn öffentlich wird. Vorher ist vieles Spekulation, nur zum Stimmung machen geegnet, und das ist schon mal recht gut gelungen.
Sonido
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Re: Zu Tode erschreckt?

Beitrag von Sonido »

jurawolf hat geschrieben:Naja, man muss schon ehrlich bleiben und anerkennen, dass Pferdeartige häufiger gerissen werden, als es manchen Wolfsfreunden lieb ist. Hier mal die Bilanz aus Frankreich der letzten Jahre:

2011: 11
2010: 2
2009: 6
2008: 3
Hallo,
der Vollständigkeit halber noch zwei Quellen zu Wölfen, die sich auf Pferde spezialisiert haben - in Portugal, dort gibt es kaum Wild:

Alvarez et al. 2013: "Feeding strategies by wolves in agricultural landscapes:
lessons from two areas in Portugal", http://conference.slowolf.si/images/pre ... lvares.pdf

und

Vos 2000: Food habits and livestock depredation of two Iberian wolf packs (Canis lupus signatus) in the north of Portugal (leider nur Abstract) http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1 ... x/abstract

Gruß
Sonido
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