Lämmchen hat geschrieben:Leine ist schon klar. Der Kleine läuft im Wald immer an der langen Leine, im Training ist er an der Feldleine. Ich weiß nicht, wie er reagieren würde, wenn da plötzlich in wenigen Metern Abstand ein Rudel Wölfe auftauchen würde. Ich schätze mal nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Ausmalen, was dann passieren könnte, wenn ich stürze, weil der Jungspund an der 15 Meter langen Leine plötzlich losrennt, mag ich mir nicht wirklich. Das Training bleiben lassen geht aber auch nicht. Verstehst du meine Situation?
Ich verstehe Ihre Situation. Als ich aus Niedersachsen wegzog, gab es in der Region in der ich wohnte noch keinerlei Sichtungen und Konflikte mit Woelfen. Hier stand ich neben Wolf noch Baeren, Elchen, Wapitihirschen und sonstigen 'Bestien' gegenueber, die ich bis dahin aus dem Biounterricht, Zoo oder Fernsehen kannte.
Irgendwann hab ich dann nach mehreren ungewollten/ungeplanten Begegnungen gemerkt, dass nicht alles so wild ist, wie es gemacht wird. Kein Beutegreifer greift immer und sofort Beute an, auch Menschen nicht, wenn er sie sieht, kein Beutegreifer reagiert auch immer gleich oder wie andere Artgenossen.
Am Ende half mir mich wirklich zu informieren, bei Experten und nicht bei Arbeitskollegen, Geschaeftsfreunden oder Nachbarn, die mir die dollsten Geschichten und 'Fakten' zu Baeren-, Wolf- und Pumabegegnungen gegeben haben. Das man da schnell den Ueberblick verlieren kann, weiss ich aus Erfahrung. Eben weil Wildtiere eben nicht immer gleich reagieren und es immer wieder Leute gibt, die Meinungen formen wollen, statt Informationen zu bieten oder zu teilen.
Egal ob man Ihnen jetzt sagt 'da passiert nichts', irgendwo werden Sie im Netz was finden, wo es Horrorstories und -bilder gibt, die oft einen Zusammenhang konstruieren oder irgendwas 'belegen' sollen.
Das Woelfe Hunde nicht angreifen, ist ein vielverbreiteter Mythos. Unter Umstaenden tun sie es, unter diesen Faellen gibt es aber viele in denen man im Nachhinein sagen kann, dass sie vermeidbar gewesen sind, ohne grossen Aufwand.
Die haeufigsten Angriffe auf Hunde (egal ob durch Baer, Wolf oder Puma) geschehen hier wenn Hunde unangeleint rumlaufen. Und das laesst man sie auch in Wolfschutzgebieten (National- und Provincial Parks), entgegen jeglicher Warnungen, zu erwartender Bussgelder oder bereits durch Beutegreifer getoetete Hunde. Da gibt es dann wirklich so daemliche Idioten, die laufen mit ihrem Hund unangeleint waehrend der Ranz mit ihrem Hund durchs Kerngebiet einer Wolfsfamilie und der Hund wird getoetet. Fuenf Tage nachdem ein Hund an gleicher Stelle durch den Rueden dort getoetet wurde.
In der Statistik interessiert es am Ende niemanden, dass die Halter gegen Gesetze verstossen haben, da steht nur trocken 'Anzahl Opfer Hund durch Wolf: 2'. Nicht aber, dass die Angriffe vermeidbar waren und das sich die uebrigen Hundebesitzer des Ortes an diese Warnungen halten und/oder die bekannten Wolfsregionen am und im Ort zu dieser Zeit meiden.
Unser Hund (Englische Bulldogge, kniehoch, um die 40 Pfund) hat mehrfach Woelfe aus allernaechster Naehe am Auto erlebt, die Woelfe wussten auch genau, dass da ein Hund ist, Null Reaktion. Auch zu Fuss hat sie Woelfe gesehen, in der Regel aus groesserer Entfernung. So ein kleiner Hund waere trotz Gegenwehr seinerseits ein netter snack to go, die Woelfe haben in der Regel nicht reagiert oder mit Flucht reagiert. Genaehert haben sie sich nicht, unser Hund war auch desinteressiert. Ich bin auch schon im Kerngebiet von Woelfen mit ihr Spazieren gewesen, aber eben nicht zu Zeiten der Hochranz und an der Leine. Im Winter ist auch so ein kleiner Hund super um Wolfspinkel oder Haufen im Schnee zu finden, Angriffe (bisher?) oder aggressives/defensives Verhalten von Woelfen dabei: null.
Auch wenn Sie in den Nachrichten ueber Angriffe auf Hunde und 'unnatuerliche Woelfe ohne Scheu' von Zwischenfaellen lesen. Die Zahl der konfliktfreien Begegnungen zwischen Mensch/Wolf und Mensch mit Hund/Wolf sind weitaus groesser. Darueber wird nur kaum berichtet, weil sowas weder die Medien noch die Leser interessiert. Von 15 Woelfen die unser Hund bisher zu Fuss gesehen hat sind alle ausnahmslos weiter oder an uns vorbei, ohne Probleme. In unseren Nationalparks in Kanada treffen jedes Jahr tausende Menschen mit ihren Hunden auf Woelfe (inklusive lokaler Bevoelkerung seit Jahren), ohne, dass es zu Konflikten kommt.
Sollte ein Wolf anders reagieren, wuerde ich zuerst den Hund nah an mich rannehmen und in meinem Fall auf den Arm. Selbst wenn es irgendwann mal zu dem Fall kommen sollte, dass uns einer oder mehr Woelfe angreifen, wuerde ich mich und meinen Hund mit aller Entschlossenheit wehren und auch in Kauf nehmen, einen Wolf dabei zu verletzen oder zu toeten. Familie geht vor, egal wie ich zu den Tieren stehe.
Wenn Sie sich also an die ueblichen Verhaltenshinweise zum Thema Begegnungen mit Woelfen ob mit oder ohne Hund zu Fuss halten, werden 9 von 10 Woelfen kein Interesse an Ihnen haben und selbst von Gebell nicht zum Angriff verleitet und hauen einfach ab. Der Eine uebrige, der nicht abhaut oder sich auf eine ihm noch angenehme Distanz zum 'mal schauen' aus Neugier naehert, wird ebenso nicht sofort angreifen.
Bevor Sie sich also zu viele Gedanken ueber einen moeglichen Angriff machen, informieren Sie sich ueber Wolfsverhalten auch lokal. Gibt es feste Familien, wo haben die ihren Bau und versuchen Sie ihre Spaziergaenge in Regionen abzuhalten, die eben nicht in der Region des Kerngebietes sind. Verhalten Sie sich so, dass Sie Ueberraschungsbegegnungen vermeiden (laut auch sich aufmerksam machen, zB mit den Hunden reden) und dass Sie im Notfall die Hunde nicht erst noch ewig rufen und ihnen hinterherlaufen muessen. Dann koenne Sie in potentiellem wie bestaetigtem Wolfsgebiet auch weiterhin mit Ihren Hunden spazierengehen, wenn auch nicht komplett ohne Bedenken, zumindest mit weniger.