Titel: "Derartige Petitionen erschweren das Management der Wölfe".*
Fuhr sagt, er halte derartige Unterschriftenaktionen für "dumm und schädlich". Und er behauptet, dass "die größte Gefahr für die Akzeptanz der Wölfe von der Gemeinde ihrer Beschützer" ausginge.
Diese Art der Argumentation habe ich häufiger in Foren und auf Wolfsgegner-Seiten entdecken können. Die simple Botschaft: Je mehr sich die Leute für den Wolf einsetzen, umso mehr bringen sie ihn damit in Gefahr und tragen letztlich eine Mitverantwortung für illegale Tötungen. Sie behinderten damit das Gelingen der Wolfsrückkehr.
Das erscheint mir eine recht perfide Argumentationsweise, denn schuld an und verantwortlich für illegale Handlungen ist immer der Täter selbst. Jäger oder Tierhalter, die illegal einen Wolf töten, sind nicht deshalb schuldunfähig, weil es so viele Wolfsfreunde gibt. Selbstjustiz wird nicht dadurch legitim, dass man als kleine Minderheit auf demokratische Weise seinen politischen Willen nicht hat durchsetzen können.
Auf andere Themenbereiche übertragen, würde man ja auch nicht auf die Idee kommen, jene Täter, die Gebäude für Flüchtlingsheime mutwillig durch Brände zerstören, von ihrer Schuld zu entlasten, weil es zu viele Helfer und Politiker gibt, die sich für eine wohlwollende Flüchtlingspolitik aussprechen und engagieren.
Fuhr sieht im Petitionstext "einen Haufen Binsenwahrheiten" und "eine Menge Unsinn". Er behauptet: "Gerade kleine Hobby-Schafhaltungen können keinen immer weiter wachsenden Herdenschutzaufwand betreiben" und blendet dabei aus, dass im Falle der Goldenstedter Wölfin in satten 33 von 37 Fällen gar kein ausreichender Schutz vorhanden war.
Und wieder ertönt ein aus Wolfsgegnerforen - überspitzt formuliert- altbekannter "Erpressungsversuch": "Geben die Hobby-Schafhalter aber auf, wäre das ein riesiger Schaden für den Natur- und Artenschutz und die genetische Vielfalt unserer Nutztiere. Denn wer hält denn die wenig produktiven alten Rassen, die als Genreserve dringend gebraucht werden?" Ganz nach dem Motto: Wenn Ihr nicht tut, was wir wollen, dann...: Und schon soll der Wolfsfreund auch noch schuld daran sein, wenn die alten Nutztierrassen aussterben...
Herr Fuhr scheut sich offenbar auch nicht, seinen Gastbeitrag mit den üblichen Klischees über Wolfsfreunde zu schmücken - denn auch das kennen wir bereits aus den Wolfsgegner-Foren und-seiten: "Der Wolf darf nicht zum vergötterten Wildnisheiligen werden, der alle anderen Aspekte und Interessen des Arten- und Umweltschutzes deklassiert."
Schade, dass Herr Fuhr hierfür kein Beispiel nennt. Den Initiator der Petition kann er jedenfalls nicht meinen, es sei denn, er hat Jan Olssons Maßnahmenkatalog schlichtweg nicht gelesen. Aber das plakative Bild vom weltfremden Wolfskuschler, der in einer Hochhaussiedlung im Innenstadtbereich einer Großstadt lebt und den Wolf als Heiligen vergöttert, zieht bestimmt immer gut - und sei es nur am heimischen Jägerstammtisch. Offenbar ist die Vorstellung für Herrn Fuhr undenkbar, dass es Menschen gibt, die sich an der Natur erfreuen und den Wolf tatsächlich als einen Teil einen Ökosystems begreifen. Fuhrs Aussage, "Kein Naturschützer" stelle ernsthaft infrage, "dass Schalenwildbestände aus ökologischen und ökonomischen Gründen reguliert werden müssen", halte ich dagegen für den Unsinn, den Herr Fuhr eigentlich nur den Wolfsfreunden zuschreibt. Das deutsche Revierjagdsystem mit seiner Hegeverpflichtung wird früher oder später von unserer demokratischen Gesellschaft auf den Prüfstand gestellt werden. Wenn man angesichts der überhöhten Schalenwildbestände die Hege irgendwann tatsächlich einstellt und Wolf, Luchs und ggf. auch Bär genügend Raum gibt, darf durchaus auch in die Richtung gedacht werden, inwieweit und durch wen eine menschliche Regulierung dann tatsächlich erforderlich ist. Das deutsche Revierjagdsystem mit seiner Hegeverpflichtung hat die Bestände nicht reguliert, sondern immer weiter erhöht, wie man z. B. den Niedersächsichen Landesjagdberichten jedes Jahr erneut entnehmen kann. Dort wird sogar auf das Fütterungsproblem aufmerksam gemacht.**
Herr Fuhr stammt aus dem Lager der Jäger und so ist seine Schlussfolgerung, dass es "kein Wolfstötungstabu geben" dürfe, vielleicht auch zu verstehen. Dazu braucht es Herrn Fuhrs eigene Binsenweisheiten aber auch nicht, denn die Voraussetzungen für eine Tötung sind in den Wolfsmanagementplänen, im Bundesnaturschutzgesetz und der FFH-Richtlinie klar definiert:
Wenn man sich dem Herdenschutz aber gleich vorab verweigert und stattdessen darauf hofft, dass das enge Netzwerk aus Jägern, Landwirten, Lokalpolitik und -medien das Problem auf eigene Weise aus der Welt schafft, braucht es eine klare Stimme für den Natur- und Artenschutz.Das Reißen von Nutztieren dagegen stellt kein auffälliges Verhalten von Wölfen dar. [...] Ein Wolf kann entsprechend § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Übereinstimmung mit Artikel 16 der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) u. a. aus der Natur entnommen werden, [...] um erhebliche, anders nicht abwendbare land-[...]wirtschaftliche Schäden abzuwenden und zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. [...] Entsprechend dem vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Leitfaden „Leben mit Wölfen“ stellt das wiederholte Überwinden von Schutzmaßnahmen wie Elektrozäunen ein problematisches Verhalten dieses Tieres dar, dem nur mit stärkeren Abwehrmaßnahmen entgegengewirkt werden kann. Bei Nichterfolg dieser Abwehrmaßnahmen ist eine Entnahme unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG in Übereinstimmung mit Artikel 16 der FFH-Richtlinie 92/43/EWG zulässig."
http://www.landtag-niedersachsen.de/ps/ ... attachment
Petitionen sind ein demokratisches Mittel, dem eigenen Anliegen Gehör zu verschaffen. Wer diese Form der gewaltfreien Meinungsäußerung als "dumm" und "schädlich" bezeichnet wie Herr Fuhr, erweckt schnell den Eindruck, dass er Menschen, die seine Meinung in der Wolfsfrage nicht teilen, gern auf diese Art zum Schweigen bringen würde. Nun leben wir aber glücklicherweise in einer Demokratie, in der zum jetzigen Zeitpunkt 61.518 Menschen offenbar nicht derselben Ansicht sind wie Herr Fuhr.***
* http://wolfsmonitor.de/?p=2668
** http://www.ml.niedersachsen.de/portal/l ... &_psmand=7
*** https://www.change.org/p/niedersächsisc ... r-den-wolf