Wird er nicht.
Das Prinzip
"maximale Intransparenz" wird genau wie die Geheimhaltung der Abschussgenehmigungen und der damit verbundenen gewollten Nicht-Überprüfbarkeit durch die Judikative auch in der Rissliste fortgeschrieben.
Insbesondere bei Nutztierschäden mit einer Vielzahl von betroffenen Schafen und dem Ausbruch der Herde stellt das unmittelbar erstellte Wolfsberater-Protokoll oft nur eine erste Bestandsaufnahme dar.
Soweit im Nachgang Verlammungen, weitere verschollene Tiere oder zuvor verletzte Tiere als gestorben nachgemeldet werden, werden die Einträge entsprechend korrigiert. Dies gilt auch für die beiden vorliegenden Fälle. Die Variabilität der Angaben auf dem Kartenserver ist insofern Ausdruck
der hohen Aktualität. Die Alternative wäre - mit erheblichem Zeitverzug - lediglich ausermittelte Fälle zu veröffentlichen.
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung: Wie zuverlässig ist die Übersicht der Nutztierschäden infolge von Wolfsübergriffen? Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens
der Landesregierung, Landtagsdrucksache 18/10536 07.01.2022 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -10536.pdf
"Tagesaktuell" heißt also, dass im Februar von dem/der Wolfsberater*in protokollierte Fälle, die 7 Monate später im September noch unverändert sind, nach 9 Monaten im November plötzlich völlig verändert sind - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Wenn der Tierhalter "Verlammungen im Nachgang" ein Dreiviertel Jahr später melden kann - wie wird dann sicher gestellt, dass diese überhaupt noch ursächlich dem vermeintlichen Wolfsriss zugeordnet werden können?
- 2% -4% Aborte gelten als "normal"
- Ursachen für Aborte: 80%-90% durch Infektionen und nur 10%-20% durch "Stress"
- "Hetzen" ist nur eine von vielen möglichen Stressfaktoren:
- Chronische Ursachen: Stoffwechselstörungen, Unterernährung, Nährstoffmangel
- Akute Ursachen: Futterwechsel, gefrorenes Futter, Wetterwechsel, Hetzen, Schur, Klauenschnitt, Tierarztbehandlung, Impfung, Entwirmung
- Ein Kausalzusammenhang mit akuten Ursachen wird dann gesehen, wenn der Abort innerhalb von 5 - 7 Tagen eintritt
Quelle:
Dr. Karl-Heinz Kaulfuß, Verein zur Förderung der Schaf- und Ziegenhaltung e. V.: Aborte und Verwerfensfälle erkennen und erfolgreich
bekämpfen https://www.noe-tgd.at/fileadmin/pdf/Fo ... aborte.pdf
Wenn also 7 Monate später die Zahlen - wie von dem/der Wolfsberater*in aufgenommen, noch "tagesaktuell" sind ("Ausdruck der hohen Aktualität" und "in dieser Form bundesweit einzigartig"), und dann plötzlich nach 9 Monaten "tagesaktuell" korrigiert werden - wie wahrscheinlich ist dann noch ein Kausalzusammenhang mit dem Rissereignis?
Auch die Verwirrung mit dem völlig unübersichtlichen "Umweltkartenserver" hat Methode: So wurde in der Anfrage an das Umweltministerium um Antwort gebeten, warum 9 Monate später die "Objekt-ID" geändert wurde. Antwort der Landesregierung:
Die Objekt-ID ist eine GIS-spezifische Datenbank-Identifikationsnummer (Geographische Informationssysteme [GIS]) von lediglich technischem Belang. Tabellen, die mit ArcGIS (Geoinformationssystem-Softwareprodukt) oder außerhalb von ArcGIS erstellt werden, wird automatisch ein Objekt-ID-Feld hinzugefügt. Die Objekt-ID kann mit jedem Überschreiben der Tabelle neu generiert werden.
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung: Wie zuverlässig ist die Übersicht der Nutztierschäden infolge von Wolfsübergriffen? Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens
der Landesregierung, Landtagsdrucksache 18/10536 07.01.2022 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -10536.pdf
"Kann" heißt offenbar nicht zwingend automatisch. Eher:
Kann man machen und damit das Wirrwarr nochmal ein bisschen undurchsichtiger gestalten. Immerhin erklärt das Umweltministerium, dass die Nutztierschadensnummer ja unverändert bliebe.
Außerdem soll es nicht mehr nachvollziehbar sein, wo genau die Risse stattgefunden haben. D. h., auch hier soll es für Bürger*innen unmöglich gemacht werden, sich von dem tatsächlichen Zustand der Zäune nachträglich ein Bild zu machen. Nun ist ja bereits bekanntgeworden, dass Herr Lies nach einem Rissereignis offensichtlich der Presse einen anderen (besseren) Zaun präsentiert hat, während der Übergriff aber auf einer ganz anderen Weide mit einem mit deutlichen Mängeln behaftetem Zaun stattgefunden hat.
Die räumliche Verortung auf dem Kartenserver erfolgt - wie in der Legende der Karte dargelegt - aus Datenschutzgründen verschleiert (siehe Anlage). Dies bedeutet, dass das jeweilige angezeigte Symbol täglich um einen bestimmten Radius um den eigentlichen Ort herum variiert erscheint und führt somit zu einer absichtlich unpräzisen Darstellung. Dieses erklärt die in der Vorbemerkung der Abgeordneten dargestellten vermeintlich „fehlerhaften Verortungen“. Zweck dieser Verfahrensweise ist es,
die regionale Situation transparent zu machen, ohne dabei betroffene Weidetierhalter persönlich zu exponieren.
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung: Wie zuverlässig ist die Übersicht der Nutztierschäden infolge von Wolfsübergriffen? Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens
der Landesregierung, Landtagsdrucksache 18/10536 07.01.2022 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -10536.pdf
Es soll also verunmöglicht werden, dass interessierte Bürger - wie in so vielen Fällen zuvor -zwischen fingierten und tatsächlich erfolgten Rissen unterscheiden können und den echten Zustand der Herdenschutzmaßnahmen nicht überprüfen und dokumentieren können.
In der Praxis sieht das dann z. B. so aus:
Weitere offensichtlich fehlerhafte Verortungen sind zu den Nutztierschäden mit den Nrn. 149, 709,
1391 und 1691 verzeichnet. Alle diese Punkte liegen laut Kartendarstellung südlich der Elbe, als betroffene Gemeinde ist jedoch Amt Neuhaus angegeben. Ein weiterer Fall ist der Punkt zu lfd. Nr. 1073, als Gemeinde ist Langendorf angegeben, aber das grüne Quadrat befindet sich nordöstlich
der Elbe und damit außerhalb des Landes Niedersachsen.
Niedersächsischer Landtag, Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer und Imke Byl (GRÜNE), 14.12.2021: "Wie zuverlässig ist die Übersicht der Nutztierschäden infolge von Wolfsübergriffen?" Drucksache 18/10481
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung: Wie zuverlässig ist die Übersicht der Nutztierschäden infolge von Wolfsübergriffen? Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens
der Landesregierung, Landtagsdrucksache 18/10536 07.01.2022 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -10536.pdf
Offenbar hat das niedersächsiche Umweltministerium noch nichts von der
Aarhus-Konvention gehört oder torpediert diese mutwillig:
Die Aarhus-Konvention
Wirksamer Umweltschutz bedarf der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Erfahrungen haben gezeigt, dass Beschwerden aus der Bevölkerung dazu beitragen, die mangelnde Umsetzung von Gesetzen oder europäischen Richtlinien aufzudecken. Grundvoraussetzung für eine solche aktive Rolle ist, dass jede und jeder Möglichkeiten hat, sich über die Umwelt zu informieren und sich in Entscheidungsprozesse einzubringen.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Die Aarhus-Konvention https://www.bmuv.de/themen/bildung-bete ... ion#c31974
Um die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft zu stärken, haben die Staaten der europäischen Region im Juni 1998 die Aarhus-Konvention beschlossen. Diese legt wichtige Rechte für eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Umweltschutz fest. Die Bürgerbeteiligungsrechte der Aarhus-Konvention stützen sich auf drei Säulen:
Zugang zu Umweltinformationen
Erst das Wissen über den Zustand unserer Umwelt macht die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungsprozessen möglich. Behörden müssen nach der Aarhus-Konvention deshalb der Öffentlichkeit auf Antrag Umweltinformationen zur Verfügung stellen.
Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltschutz [...]
Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
Damit jeder Einzelne seine Rechte auf Zugang zu Umweltinformationen und auf Verfahrensbeteiligung auch effektiv durchsetzen kann, sieht die Aarhus-Konvention Rechtsschutzmöglichkeiten für Einzelpersonen und Umweltverbände vor (siehe hierzu auch Handbook on Access to Justice). Ausdrückliches Ziel der Konvention ist es, der betroffenen Öffentlichkeit einen möglichst weiten Gerichtszugang zu gewähren. [...]
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Die Aarhus-Konvention https://www.bmuv.de/themen/bildung-bete ... ion#c31974